Claude Debussy: Sonate für Violoncello und Klavier

(Text im Booklet zur CD "Portrait Erik Reischl, Volume 1")

Die vorliegende CD ist der Beginn einer Reihe, in der stets auch ein Teil der Kammermusik von Debussy gewidmet ist. Den Anfang bildet die Sonate für Violoncello und Klavier, eines der späten Werke des Komponisten, geschrieben 1915, als Debussy bereits unheilbar an Krebs erkrankt war.

Es war offensichtlich diese Krankheit, die eine Art Schaffenswut auslöste, in der er vier bedeutende Werke in nur vier Monaten schuf, darunter die Cellosonate und eine weitere für Flöte, Bratsche und Harfe. Eigentlich hatte Debussy sechs Sonaten für verschiedene Besetzungen geplant, konnte jedoch nur noch eine weitere, die Sonate für Violine und Klavier, vollenden.

Louis Rossor, ein mit Debussy befreundeter Cellist und Interpret der Sonate, behauptete, Debussy habe ihm das "Programm" anvertraut, das diesem Werk zugrunde liegt:

"Pierrot erwacht, springt auf und schüttelt seinen Schlaf ab. Er läuft zu seiner Schönen, um ihr ein Ständchen zu bringen. Als diese ihn trotz seines Flehens nicht erhört, tröstet er sich über seinen Mißerfolg mit einem Freiheitsgesang."

Diese Interpretation wurde von Debussy empört dementiert. Jedoch sind gewisse Anklänge an die Figur des Pierrot durchaus vorhanden, und ursprünglich hatte Debussy der Sonate den Untertitel "Pierrot faché avec la lune" (Pierrot hat sich mit dem Mond überworfen) gegeben, ihn dann aber doch gestrichen.

Der erste Satz erscheint wie ein Klagelied, schwermütig und ermattet. Ein "Erwachen" oder gar "Abschütteln des Schlafes" kann ich hierin nicht erkennen.

Offensichtlich sind die zwei folgenden Sätze als Hauptteil zu verstehen, denn Debussy bezeichnete den ersten als "Prologue" und faßte die beiden folgenden zu "Sérénade et Finale" zusammen.

Im Gegensatz zur Einleitung läßt die Serenade schon eher Assoziationen zur oben erwähnten Geschichte zu. Vor allem das Brüchige, der Klang und die zerrissene Struktur (ähnlich einem Klavierprélude von Debussy names "La sérénade interrompue") sind charakteristisch für die Figur des Pierrot.

Nach dem Wehklagen der Einleitung und der fast unheimlichen Serenade haben einige Abschnitte des Finales etwas Befreiendes an sich, doch immer wieder werden die schwelgenden Melodien und die oszillierende Begleitung jäh unterbrochen durch langsame und zerbrechliche Passagen.

Ich denke, anstelle der Pierrot-Geschichte liegt es näher, das Werk als Bekenntnis eines vom Tode gezeichneten Komponisten zu seinem Schicksal zu betrachten.

(Erik Reischl)