Debussy: Sonate für Violine und Klavier

(Text im Booklet zur CD "Portrait Erik Reischl, Volume 3")

Die Sonate für Violine und Klavier ist Debussys letztes vollendetes Werk, entstanden im Jahre 1917 und uraufgeführt im Mai des selben Jahres in Paris. Ein schweres Krebsleiden hinderte den Komponisten an der Fertigstellung eines Sonatenzyklus, der sechs Sonaten für verschiedene Besetzungen umfassen sollte. Neben der Violinsonate konnte Debussy jedoch nur die Sonate für Violoncello und Klavier sowie eine Sonate für Flöte, Viola und Harfe realisieren.

Im Autograph bezeichnet sich Debussy ausdrücklich als "musicien français" (Französischer Musiker). Dieser Titel sollte zu Zeiten des Ersten Weltkrieges das gesteigerte Nationalbewußtsein zum Ausdruck bringen, sich zu allem Deutschen (insbesondere der Musik Richard Wagners) abgrenzen und die Rückbesinnung auf die Formen und Werte der alten Französischen Meister wie Rameau und Couperin unterstreichen.

Trotz der Hervorhebung des Französisch-Traditionellen finden sich aber auch im Spätwerk Debussys noch Einflüsse anderer Kulturen und Nationen, meist der spanischen und asiatischen Musik. Teile der Sonate für Violine und Klavier sind deutlich durch Zigeunermusik geprägt. Dieser Einfluß rührt her von einer Begegnung Debussys mit einem Zigeunergeiger im Jahre 1910 in Budapest, wo er eigene Werke dirigiert hatte. Dieses Erlebnis hatte bei ihm nachhaltigen Eindruck hinterlassen ("Ein Mann, der einem Tresor Geheimnisse entlocken könnte").

Dennoch ist die Sonate weit davon entfernt, der Salon- oder gar Caféhausmusik zu huldigen. Debussy nutzt vielmehr nur einzelne Idiome dieser Violintechnik, beispielsweise das Schleifen eines Tones nach oben oder unten, um dem Werk einen rhapsodischen Charakter zu verleihen, der im aparten Kontrast zur formalen Strenge des Sonatentyps steht.

Der zweite Satz, "Intermède. Fantasque et léger", erinnert stark an den entsprechenden Teil der Cellosonate. Hier wie dort finden sich zahlreiche ironische Anklänge, wirkt der musikalische Satz zerrissen und unbeständig. Nach einer kurzen Reminiszenz an das Anfangsthema des ersten Satzes fährt das Finale schließlich mit einem virtuosen, wirbelnden Rondothema fort, welches Debussy selbst wie folgt beschrieb:

"Trauen Sie keinem Stück, das im freien Himmelsflug zu schweben scheint – es könnte in den dunklen Tiefen eines kranken Hirns ausgebrütet worden sein! Etwa das Finale meiner Sonate: das schlichte Spiel eines Gedankens, der sich um sich selbst dreht wie eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt..."

(Erik Reischl)