Haydn: Variationen f-moll, Sonate C-dur

(Text im Booklet zur CD "Portrait Erik Reischl, Volume 3")

Im Jahr 1793 verstarb mit Marianne von Genzinger eine treue Freundin Joseph Haydns. Es ist durchaus denkbar, daß dieser schmerzliche Verlust den Komponisten dazu veranlaßte, noch im selben Jahr die Variationen in f-moll zu verfassen (im Autograph noch mit "Sonata" betitelt, später in "Un piccolo divertimento" umbenannt).

Die Quelle der Inspiration wird in diesem Falle allerdings wohl Gegenstand von Spekulationen bleiben, da das Werk ursprünglich für Barbara von Ployer, eine Schülerin Mozarts, geschrieben und schließlich 1799 der Baronin Josefine von Braun gewidmet wurde. Auf der anderen Seite vermittelt das Werk für Haydn ungewöhnlich tiefe Emotionen, bis hin zum dramatischen und leidenschaftlichen Ausbruch gegen Ende des Stücks.

Formal handelt es sich um sogenannte "Doppel-Variationen", also um zwei Themen, eines in f-moll und ein weiteres in F-dur, welche stets abwechselnd variiert werden. Während das Moll-Thema einen klagenden, trauernden und tragischen Charakter hat, wirkt das Dur-Thema tröstend und beruhigend.

Einige Monate später, gegen Ende 1793, schrieb Haydn ein Adagio in F-dur, welches zunächst als eigenständiges Stück veröffentlicht wurde. Während seiner zweiten London-Reise (Februar 1794 – August 1795) überarbeitete er das Werk und komponierte zwei schnelle Außensätze hinzu. Die somit entstandene Sonate in C-dur widmete er Therese Jansen Bartolozzi, einer deutschstämmigen, in London lebenden Pianistin. Die C-dur-Sonate bildet mit den Sonaten in Es-dur (Hob.XVII:52) und D-dur (Hob.XVII:51) die Gruppe der drei sogenannten "Englischen" Sonaten. Dieses Attribut bezieht sich nicht nur auf den Entstehungsort, sondern weist auf einige Besonderheiten hin, die im Zusammenhang mit den dortigen Instrumenten stehen. So umfaßte beispielsweise ein herkömmliches kontinentales "Fortepiano" nur einen Tonumfang, der bis zum f‘‘‘ reichte, während die englischen Instrumente vier zusätzliche Töne im Diskant-Bereich boten, was Haydn im 3. Satz der C-dur-Sonate auch erstmalig nutzte. Auch trugen ein dünnerer Resonanzboden und stärkeres Gehäuse dazu bei, den Ton kräftiger, romantischer und tragender klingen zu lassen.

Der erste Satz ist durchgehend monothematisch gehalten; dem Hauptthema wird hier also nicht wie sonst üblich ein kontrastierendes Seitenthema gegenüber gestellt. Statt dessen wird das aus einem schlichten gebrochenen Dreiklang bestehende Motiv des Themas in vielfältiger Weise variiert. An zwei Stellen erscheint das Thema sogar im Pianissimo mit der ausdrücklichen Bezeichnung "open pedal", wodurch ein verschwommener, fast geisterhafter Effekt entsteht.

Auch im Finalsatz hält Haydn einige heitere Überraschungen bereit. Im 11. Takt sowie an fünf weiteren Stellen bricht die Musik jäh ab, es scheint, als sei dem Pianisten ein schlimmer Fehler unterlaufen. Doch sofort wird der Faden wieder aufgenommen und spinnt sich in neue Regionen weiter. Schließlich endet das Werk ebenso unvermittelt und schlicht, wie es im ersten Satz begann.

(Erik Reischl)