Mozart: Variationen KV 455, Sonate KV 281

(Text im Booklet zur CD "Portrait Erik Reischl, Volume 3")

"Ich habe dero mir so wertes Schreiben richtig erhalten-falten, und daraus ersehen-drehen, daß der Herr Vetter-Retter und die Frau Bas-has, und Sie-wie recht wohl auf sind-Rind; wir sind auch Gott Lob und Dank recht gesund-Hund. ich habe heüt den brief schief, von meinem Papa haha, auch richtig in meine klauen bekommen strommen..."

Diese beinahe dadaistisch anmutenden Zeilen stammen aus der Feder Wolfgang Amadeus Mozarts und datieren vom November 1777. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem der berühmten Briefe an seine Cousine, Maria Anna Thekla Mozart, kurz das "Bäsle" genannt. In ihr fand Mozart das ideale Gegenüber, um seine alberne, verrückte, bisweilen sogar derb-obszöne Seite voll auszuleben.

Auch in seiner Musik treffen wir immer wieder auf Elemente ausgelassener Heiterkeit, frecher Scherze und kindischen Humors.

Vieles, was für unsere heutigen Ohren selbstverständlich klingt, wirkte vor über zwei Jahrhunderten erstaunlich, kühn oder eben frech und amüsant. Um den subtilen Humor klassischer Musik zu verstehen, müssen wir versuchen, alle nachfolgenden Entwicklungen auszublenden und uns in die Entstehungszeit hineinzuversetzen. Wenn dies gelingt, so reagieren auch wir, wie es Mozart von den folgenden zwei Herren berichtet:

"H: stein machte nichts als gesichter und grimaßen vor verwunderung. H: Demler mußte beständig lachen..."

Beständig lachen mußte sicher auch das Publikum, als Mozart am 23. März 1783 während eines Konzertes im Wiener Burgtheater eine Improvisation darbot. Da sich im Saal der Komponist Christoph Willibald Gluck befand, wählte Mozart die Arie "Unser dummer Pöbel meint" aus dessen Oper "Die Pilger von Mekka" als Grundlage für eine Reihe virtuoser Variationen und zog dabei sämtliche Register seines Könnens wie auch seines Humors. Die schriftliche Fixierung erfolgte zwar erst am 25. Juli des darauf folgenden Jahres, doch dürfte die uns überlieferte Version der improvisierten Fassung recht nahe gekommen sein.

Die Sonate in B-dur, KV 281, wurde im Jahre 1774 in Salzburg komponiert. Der erste Satz beginnt quirlig und heiter, entwickelt aber im Durchführungsteil auch eine gewisse Dramatik. Wem der achtzehnjährige Mozart derart zugetan war, daß er dem Mittelsatz das Attribut "amoroso" beifügte, ist leider nicht überliefert. Vielleicht ist aber auch dies nur ein Scherz, denn der Zuhörer wird hier gleich beim ersten Ton mit einem schockierenden Paukenschlag in der linken Hand konfrontiert, dem dann ein schlichtes, liebevolles Thema folgt.

Im Finalsatz begegnen wir wieder dem ausgelassenen Mozart. Er zieht Grimassen, macht sich einen Spaß daraus, den Hörer mit unerwarteten harmonischen Wendungen aufs Glatteis zu führen, und am Ende läßt er das Schlußmotiv sich im Sande verlaufen, um schließlich mit zwei lauten und neckischen Sechzehntelvorschlägen zu enden. Um es mit den Worten des Komponisten an das Bäsle zu formulieren:

"Curios! warum nicht?"

(Erik Reischl)